Was ist eine ergonomische Tastatur? Obwohl es Dutzende von Webseiten zum Vergleich von Tastaturen gibt, wird selten darüber gesprochen welche (ergonomischen) Kriterien man für die Bewertung einer Tastatur heranziehen kann. Meiner Ansicht nach gibt es KO-Kriterien und nicht-KO-Kriterien. KO-Kriterien sind Kriterien, die bei einer ungenügenden Ausprägung zum direkten Ausschluss der Tastatur führen. Drastisch, aber meiner Ansicht nach gerechtfertigt. Schauen wir uns mal meine KO-Kriterien an:

KO-Kriterien:

Kompatibel mit dem Zehn-Finger-System

Auf diversen Seiten liest man, dass ergonomische Tastaturen “gerade” Spalten haben sollten, die leicht nach innen geneigt sind.

Als Beispiel für eine solche Tastatur schaue man sich die Truly Ergonomic an:

(modifizert, Original: Hustvedt / CC BY-SA)

Die Spalten sind hier alle gerade und nach innen geneigt, wohingegen bei einer normalen Tastatur die einzelnen Tasten stets leicht versetzt sind und nach links laufen (hier bei einer Cherry):

(modifziert, Original Karl432 / CC BY-SA)

Gerade, nach innen geneigte Spalten werden natürlich insbesondere von den Herstellern solcher Tastaturen angepriesen. Die ergonomische Idee ist jedoch durchaus sinnvoll, denn die Position der Hände ist naturgegeben auch leicht nach innen geneigt (einfach mal selbst ausprobieren: Aufstehen, Hände fallen lassen und dann locker auf den Tisch legen):

(Image by Alexander Lesnitsky from Pixabay)

Die natürliche Handposition entspricht also ziemlich genau der Ausrichtung der Tasten bei der Truly Ergonomic und einigen weiteren ergonomischen Tastaturen. Siehe nochmal das Bild von oben:

Obwohl also die Idee der nach innen geneigten Spalten absolut überzeugt, macht sie riesige Probleme bei Personen, die das Zehn-Finger-System beherrschen. Das merkte ich als ich mir die Königin der Tastaturen bestellte, die Kinesis Advantage:

Kinesis-Contoured Keyboard Classic-1

(Suimasentyottohensyuushimasuyo / CC BY-SA)

Ich musste sie leider direkt wieder zurückschicken. Ich schreibe seit über 15 Jahren blind und habe das Zehn-Finger-System auf einer normalen Tastatur gelernt, bei der die Spalten eben nicht nach innen geneigt sind (sondern stets nach links). Erst beim Testen der Kinesis Advantage merkte ich, wie fest eintrainiert diese Tastenposition in den Fingern ist. Bewegt man die Finger nach unten oder oben, geht man immer ein Stück nach links bzw. rechts. Sind die Tasten in einer nach innen geneigten Spalte angeordnet, kann ich nicht mehr effizient blind tippen – die Bewegung der Finger ist komplett anders, insbesondere für die linke Hand. Als Beispiel:

Auf der linken Seite nach innen geneigte Spalten der Kinesis Advantage und rechts eine normale Tastatur. Die Bewegung auf der normalen Tastatur (rechts) wurde auf die “unnormale” Tastatur (links) übertragen. Man sieht, dass man durch die eintrainierte Bewegung aus dem Zehn-Finger-System, auf falschen Tasten landet, wenn man eine Tastatur mit nach innen geneigten Spalten verwendet. Zugegeben ist das nur eine oberflächliche Darstellung, denn wir haben links die Tiefe der Tasten nicht berücksichtigt. Trotzdem merkt man sehr schnell das Problem, wenn man es einfach mal selbst ausprobiert. Man kommt tatsächlich auf falsche Tasten bei der Kinesis Advantage, wenn man das Zehn-Finger-System blind beherrscht. Das Resultat ist eine starke Reduzierung der Effektivität und Effizienz des Tippens.

Der Grund dafür ist natürlich, dass man das Zehn-Finger-System üblicherweise auf einer normalen Tastatur lernt. Hätte ich da Zehn-Finger-System auf der Kinesis Advantage gelernt, hätte ich das Problem nicht. Aber das kann ich nicht mehr ändern und so geht es sicher auch vielen anderen. Umlernen ist für mich keine wirkliche Option, denn der Aufwand scheint mir nicht gerechtfertigt, wenn man schon sehr effizient tippen kann. Kannst Du hingegen noch nicht blind schreiben, dann solltest Du Dir überlegen ob Du dies nicht gleich mit einer Tastatur lernst, bei der die Spalten gerade angeordnet sind. Ein kleiner Nachteil bleibt: man kann dann nicht mit einer normalen Tastatur (schnell) schreiben, zum Beispiel an einem fremden Rechner.

Im Idealfall prüfst Du einfach selbst ob für Dich dieses Kriterium auch so wichtig ist oder nicht.

Split

Ergonomische Tastaturen sind für mich stets Split-Tastaturen. Hier gibt es zwei Kategorien. Die einen sind über ein Kabel verbunden aber komplett geteilt, wie die Kinesis Freestyle 2:

(Casey Marshall, flickr)

Andere lassen sich in zwei Hälften schieben, sind aber in der Mitte fest verbunden, z. B. die Goldtouch (habe von der Tastatur leider noch kein freies Bild).

Und es gibt auch noch welche, bei denen nur die Tasten leicht schräg sind, die also irgendwie auch versuchen ein bisschen Split zu sein, wie die MS Natural (und Nachfolger):

MS Natural Multimedia Keyboard

(DraugTheWhopper / CC BY-SA)

Der vollständige Split (komplette Trennung) ist deutlich ergonomischer. Man hat viele Freiheitsgrade die Hände und Arme zu positionieren und kann diese Position auch stets variieren. Für eine wirklich ergonomische Tastatur würde ich keine Abstriche machen und für einen vollständigen Split plädieren. Aber man kann hier sicher auch leichte Verbesserungen mit einem “halben” Split erzielen im Vergleich zu “normalen” Tastaturen.

Neigung

Ergonomische Tastaturen sind leicht geneigt um die natürliche Handhaltung zu fördern. Probier es selbst aus. Stelle Dich hin und lass Deine Arme Hängen. Nun bewege die Arme nach oben bis Du bei ungefähr 90° für den Winkel Unterarm-Oberarm bist. In dieser Position sollten Deine Arme sein wenn Du tippst, das heißt senkrecht zum Tisch. Das geht natürlich nicht, außer bei so was krassem wie der SafeType [momentan habe ich kein freies Foto]

Gut ist aber schon, wenn die Arme zumindest näher an der idealen Position sind. Die Kinesis Feestyle 2 lässt sich beispielsweise um 10° und 15° neigen. Mit einem besonderen Kit sogar um 90°.

Handballenauflage

Ein Muss. Man kann natürlich auch nachkaufen, aber ich empfehle direkt integrierte Handballenauflagen. Die beste Auflage, die ich bisher gesehen habe, war die von der Matias Ergo Pro:

(VirtualWolf flickr)

Anschlag

Sicher eine subjektive Angelegenheit. Für mich ist es wichtig einen leichten Anschlag zu haben sodass ich nicht zu viel Kraft aufwenden muss. Das macht nach meinem Eindruck einen großen Unterschied, wenn man lange Texte tippt, da die Hände bei einem leichten Anschlag nicht so schnell ermüden.

In dieser Hinsicht fallen oft die magischen Worte “mechanische Tastatur”, was meiner Ansicht nach völlig überbewertet ist. Ich habe jahrelang eine mechanische Tastatur genutzt (Matias Ergo Pro) und obwohl der Anschlag sehr angenehm war, können hochwertige nicht-mechanische Tastaturen meiner Ansicht nach mithalten. Mechanische Tastaturen sind zudem deutlich teuerer.

Tastaturlayout (deutsche Tastatur)

Es gibt geniale Tastaturen wie die ergodox

(Phil Hagelberg flickr)

oder keyboardio

Jesse Vincent

Beide würde ich gerne ausprobieren, aber sie fallen für mich sofort raus weil sie nicht genügend Tasten haben. Die deutsche Tastatur ist schon sehr speziell, denn wir haben die Umlaute und das ß. Und für mich müssen diese Tasten auf der richtigen Position sein, denn Umlernen kostet zu viel Zeit. Als Beispiel mal konkret bei der Keyboardio:

Es fehlen 4 Tasten, was wirklich keine Kleinigkeit ist. Auf manchen Tastaturen ist nur die Größer-Kleiner-Als-taste (<>) nicht vorhanden, aber wenn man programmiert, braucht man diese doch oft genug, dass es ärgerlich ist umzulernen.

Stabilität

Eine Tastatur, ob ergonomisch oder weniger ergonomisch, sollte beim Tippen an ihrer Position bleiben. Manche Tastaturen haben ein zu geringes Eigengewicht um das zu gewährleisten, dazu zählen häufig klappbare mobile Tastaturen.

Haltbarkeit

Eine gute Tastatur sollte wenigstens einige Jahre halten. Obwohl dies eine hohe Anforderung ist, denn man tippt ja täglich eine ganze Menge, gibt es viele Tastaturen, die dieses Kriterium locker erfüllen. Die Maßstäbe setzen also die Hersteller selbst – es ist offensichtlich nicht unmöglich eine Tastatur zu bauen, die 5-10 Jahre tägliches Tippen durchhält.

Das sind für mich die KO-Kriterien, die erfüllt sein müssen um eine Tastatur überhaupt als ergonomisch in Erwägung zu ziehen. Kommen wir nun noch zu ein paar weiteren Kriterien, die relevant sein könnten.

Weitere Kriterien

Größe der Tasten

Eine effiziente Nutzung der Tastatur bedeutet, dass man häufig Modifier-Tasten einsetzt wie ALT, CTRL, Shift und Meta (Windows-Taste). Hier kommt Fitts Gesetz ins Spiel: die Reaktionszeit bei Mensch-Computer-Interaktionen hängt von zwei Faktoren ab: der Distanz zum Ziel-Objekt (hier Taste) und die Größe des Ziel-Objekts. Bei der Truly Ergonomic wurde diese Prinzip gut genutzt:

Die Modifier-Keys sind schön groß, man kommt also schnell hin und eine Verwechslung ist so gut wie ausgeschlossen.

Ich achte insbesondere auf die Größe der Modifier-Keys, denn die fallen teilweise eher klein aus. Bei den meisten deutschen Tastaturen ist beispielsweise die linke Shift-Taste recht klein, weil noch die Größer/Kleiner-Taste drauf muss im Vergleich zu amerikanischen Tastaturen. Hier als Beispiel eine Cherry, bei der die linke Shift-Taste ungefähr die Größe einer normalen Buchstaben-Taste hat:

Daumentasten

Einige Tastaturen haben Daumen-Tasten, die sehr praktisch sind, denn die Daumen drücken sonst immer nur auf Space, obwohl sie so viel mehr machen könnten. Als Beispiel die Keybardio Daumentasten:

Position der 6

Einige Split-Tastaturen haben die 6 auf der rechten Seite positioniert anstatt auf der linken. Das ist kein Deal-Breaker, aber trotzdem ungewöhnlich und eventuell ein Kriterium, welches Du in Erwägung ziehen solltest.